«Es geht immer um Menschen»

13. Dezember 2021

Von und

Die bärner studizytig hat sich mit dem Amtsleiter der Fremdenpolizei Bern zum Gespräch über Grenz- und Migrationspolitik, Ausbeutung und den Einfluss unseres Konsumverhaltens getroffen. Dabei gewährte Alexander Ott auch einen Einblick in seine persönliche Erfahrungswelt.

Herr Ott, Sie sind Chef der Fremdenpolizei Bern. Wie viel «Polizei» steckt in der Fremdenpolizei?

Wie die Polizei ist die Fremdenpolizei für die Durchführung von Zwangsmassnahmen zuständig. Dazu gehören die Missbrauchsbekämpfung im ausländerrechtlichen Bereich, beispielsweise bei der häuslichen Gewalt oder der Arbeitsausbeutung sowie die Massnahmen im Bereich der Täter*innenverfolgung und des Opferschutzes.

Muss man also eine Polizeiausbildung absolviert haben, um bei der Fremdenpolizei arbeiten zu können?

Das ist von Vorteil, aber nicht zwingend notwendig. Wir haben zum Beispiel bei uns auch Jurist*innen und Betriebswirtschaftler*innen. Diese Personen müssen dann gewisse polizeiliche Module absolvieren und erhalten dafür ein Zertifikat. Somit dürfen sie polizeiliche Aufgaben wahrnehmen.

Was ist momentan die grösste Herausforderung für die Fremdenpolizei in Bern?

Da ist einerseits die zunehmende Arbeitsausbeutung – gerade mit der Covid-Situation hat das zugenommen, da viele Leute ihre Arbeit verloren haben. Andererseits die Problematik irregulär eingereister Personen, die hier straffällig werden und bei denen eine Rückführung nicht möglich ist. Und für uns auch immer im Fokus: das Thema Menschenhandel. Im administrativen Bereich haben wir ausserdem einen Mehraufwand wegen des neuen Ausländer- und Integrationsgesetzes, da wir weiterhin jeden Einzelfall situativ prüfen wollen.


Zur Person

Alexander Ott arbeitet seit 31 Jahren bei der Fremdenpolizei Bern und ist Co-Leiter des Polizeiinspektorats Bern. Dort setzen er und sein Team sich unter anderem mit Ausbeutung, Prostitution und Clankriminalität auseinander. Zuvor arbeitete er bei der Grenzwache und weiss, was es heisst, Grenzschutz in der Praxis auszuüben. An der Universität Luzern absolvierte er einen Master in Philosophie und Management und ist MItglied eines aus Alumini bestehenden Alpenphilosophikums sowie im Alpenclub Bernina.


Was hat sich verändert in den 31 Jahren, die Sie nun bei der Fremdenpolizei arbeiten?

Eigentlich nicht viel. Es geht immer um Menschen. Das ist das Grundsätzliche und auch das Interessante an dieser Arbeit. Aber wir stellen fest: Die Schere zwischen Arm und Reich öffnet sich immer mehr. Menschen müssen nicht mehr nur wegen kriegerischen Auseinandersetzungen flüchten, sondern auch aus wirtschaftlichen und politischen Gründen – sie haben schlicht keine Perspektiven mehr in ihrer Heimat. Dazu ist die Klimaveränderung ein weiterer Treiber, welcher den Menschen ihre Existenzgrundlage entzieht. Was uns auch beschäftigt sind die Biographien derjenigen Jugendlichen, die aus einem Kriegsumfeld zu uns kommen. Diese verbrachten ihre prägenden Jahre in Not und Armut, meist in einem kriminellen Umfeld. Diese Umstände unterstützen eine erfolgreiche Integration definitiv nicht.

Es wird argumentiert, dass diese zunehmende Öffnung der sozialen Schere im Zusammenhang steht mit dem Kapitalismus. Brauchen wir ein anderes System?

Wir haben ja bis jetzt noch kein anderes Modell, das funktioniert. Ich würde eher sagen, dass das mit dem entfesselten Neoliberalismus zusammenhängt. Meiner Meinung nach müssen wir lernen zu verzichten und mit gewissen Dingen im Konsumbereich einfach aufzuhören, sonst drehen wir uns im Kreis.

«Wir diskutieren alles an, aber nichts durch!»

Wie meinen Sie das genau?

Diese Diskussion ist ja eigentlich nichts Neues, man weiss um die Probleme. Was ich allerdings feststelle: Man gerät schnell in eine Sackgasse, wenn über dieses Thema diskutiert wird. Es fehlt an einem tiefgründigen Dialog. Wir diskutieren alles an, aber nichts durch! Es bringt uns aber nicht weiter, Probleme anzudenken – wir müssen sie durchdenken, nur so kommen wir zu tragbaren Lösungen. In diesem Zusammenhang ist für mich auch das Konsumverhalten wichtig. Unser Konsum bezüglich Kleidung, Lebensmitteln und vielem mehr ist für mich ein Treiber dieser Problematik. Wir bekämpfen nur Symptome und waren bis jetzt nicht in der Lage, etwas am Grundverhalten der Gesellschaft zu verändern.

Sie sagen, es sollten nicht nur die Symptome bekämpft werden, sondern Probleme an der Wurzel angegangen werden. Wie ist das denn bei der Fremdenpolizei, betreibt diese nicht auch nur Symptombekämpfung?

Da müssen wir einen grösseren Blick auf unser Aufgabengebiet richten und die rechtlichen Normen mitberücksichtigen. Wir versuchen immer den Einzelfall zu berücksichtigen und der betroffenen Person eine Perspektive zu geben. Zum Beispiel im Bereich der «organisierten Bettelei» ist es uns gelungen, wiederholt Jugendliche aus dieser negativen Spirale herauszulösen. Selbstverständlich sind dies nur Einzelfälle. Jedoch geht es darum, entsprechende positive Signale zu setzen. Das ist ein Teil – ein anderer ist das Entwickeln einer Haltung hier vor Ort, die auch andere Sichtweisen zulässt.

Welche anderen Sichtweisen sprechen Sie hier an?

Damit meine ich eine andere Sichtweise auf die Problemlagen. Momentan wird beispielsweise überall vom Fachkräftemangel gesprochen. In der Pflege und der Altersbetreuung haben wir ein riesiges Problem, das ist ein Fakt. Gleichzeitig haben wir in diesem Land Leute, die ausreisen müssen – zum Beispiel abgewiesene Asylsuchende. Diese Personen hätten möglicherweise Potential, um genau in diesen Bereichen zu arbeiten. Die aktuelle Gesetzeslage sieht hier für die Behörden jedoch keinen Handlungsspielraum.

Zurück zur Symptombekämpfung: Bräuchte es zur Bekämpfung des Menschenhandels nicht ein anderes Migrationsregime? Beispielsweise, dass man den Leuten von Grund auf den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtert oder Visumsanträge im Heimatland ermöglicht werden?

Spannende Frage, da kann man lange darüber diskutieren. Ich bin der Meinung, dass wir eine Migrationspolitik verfolgen müssen, die den Menschen in den betroffenen Ländern Perspektiven schafft. Denn die meisten Leute wollen ihre Heimat eigentlich gar nicht verlassen. Nehmen wir folgendes Beispiel: In einem asiatischen Land gibt es zirka zwölf Millionen Heimarbeiter*innen, die zwölf Stunden am Tag für weniger als 40 Cent pro Stunde schuften. Diese so produzierten «Billigkleider» werden dann in den westlichen Ländern zu einem Spottpreis verkauft. Ein weiterer Treiber, welcher die Migration fördert.

Was halten Sie eigentlich von der Losung «No Borders, No Nations»?

Diesen Vorschlag hören wir oft. Aber was heisst das genau, wenn Sie das durchdenken? Man müsste die ganze Menschheit ändern, damit das aufgeht. Denn Grenzen braucht es, um sich von kritischen Regimes abzugrenzen und diese zu stoppen. Wie will man solchen Regimes etwas vorschreiben, um die Unterdrückung zu verhindern? Das ist eine Machtfrage und wir haben diese Macht nicht. Aber durch Grenzen haben wir die Möglichkeit zu betonen, dass hier die Menschenrechte gewahrt werden und andere Werte gelten. Wenn man nicht mehr auf dieses Mittel zurückgreifen kann, könnte am Ende das Negative «überschwappen».

Foto: Cyril Holtz

Eine Grundsatzfrage: Könnte man nicht einfach die Beschränkung der Migration aufheben?

Natürlich wäre das möglich, allerdings wäre dies komplett ein anderes Gesellschaftsmodell. Dabei müsste man sich über die Verteilung von Gütern etc. Gedanken machen und sich fragen, was für einen Lebensstandard wir aufrechterhalten wollen. Dass wir hier miteinander sprechen, dass wir sicher sind, dass das Büro geheizt ist, dass Sie ein Smartphone besitzen; das sind Errungenschaften, welche wir nicht leichtfertig aufs Spiel setzen sollten. Die Welt ist ungerecht. Ein Grossteil der Weltbevölkerung lebt im Elend, obwohl dieses Elend durch fairere Kooperation zu beheben wäre.

Fairere Kooperation scheint aber schwierig mit dem gegenwärtigen politischen Klima. Man will ja nicht einmal Leute aus Afghanistan aufnehmen und als das Flüchtlingslager Moria überall Thema war, nahm die Schweiz auch keine Leute auf.

Genau! Aber das sind zwei verschiedene Dinge. Die Städte bzw. Bern war ja bereit, weitere Personen in prekären Lagen aufzunehmen. Dies liegt aber nicht in der Kompetenz der Kantone und Städte, sondern in der alleinigen Zuständigkeit des Bundes.

Wie steht es denn mit Leuten, die es hierhergeschafft haben und beispielsweise nach einem Opferschutz-Verfahren das Land verlassen müssen? Wird geschaut, dass sie im Heimatland noch etwas haben, um sich wieder ein Leben aufbauen zu können?

Ich persönlich finde eine geordnete Rückkehr in Zusammenarbeit mit der Internationalen Organisation für Migration viel zielführender als das Szenario, welches sich hier oft abspielt. Die IOM verfügt mit dem Staatssekretariat für Migration zusammen über ein Rückkehrprogramm, welches es ermöglicht, die Personen in ihrem Heimatland mit Starthilfen zu unterstützen. Denn oft fehlt es nach einem durchlaufenen verwaltungs- oder strafrechtlichen Verfahren an einer Anschlusslösung. In vielen Fällen wird zwar, wenn die Bedingungen erfüllt sind, eine entsprechende Aufenthaltsbewilligung erteilt. Aber was ist dann? Die Betroffenen sind allein, schlecht integriert und verfügen über keine entsprechende Aus- und Weiterbildung. Somit finden sie keinen Job, um ihren Lebensunterhalt finanzieren zu können. Das Ergebnis: Sie geraten wieder in eine Abwärtsspirale, werden straffällig und kommen so wieder mit dem Gesetz in Konflikt.

Was kann man tun, damit die Personen, die in der Schweiz bleiben, nicht in eine Abwärtsspirale rutschen?

Wenn es zu einem Strafverfahren kommt, geht das ja immer sehr lange, zwei bis drei Jahre unter Umständen. In dieser Zeitspanne ist der Aufenthalt sicher gewährleistet. Während dieser Dauer ist für uns essentiell, dass mit diesen Leuten gearbeitet wird. Deshalb sind auch immer NGOs dabei, denn in solchen Situationen haben wir viele Analphabet*innen. Natürlich ist es dann schwierig, den Forderungen nachzukommen, diese Personen in einen ersten Arbeitsmarkt einzugliedern. Dazu kommt, dass Opfer von Menschenhandel häufig schwer traumatisiert sind.

Wäre es nicht möglich, diese Leute hier vor Ort zu unterstützen, statt ihnen Geld zu geben, um ins Heimatland zurückzukehren?

Werden die Leute hier unterstützt, gelten sie als fürsorgeabhängig. Ich drücke mich da gerne etwas plakativ aus: Es braucht eine Anschlusslösung, die die Betroffenen «an die Hand nimmt». Diese fehlt momentan. Die meisten Leute, die nach solch langen Prozessen weiterkommen und in deren Fall sich das Ganze positiv entwickelt, haben Anschluss gefunden und ein soziales Netz aufgebaut. Sie waren in der Lage, sich von der Täterschaft – die oft aus Landsleuten oder Familienangehörigen besteht – zu lösen und konnten so der Spirale entkommen.

Der Begriff «Fremdenpolizei» hat etwas Altertümliches, sogar Stigmatisierendes an sich. Könnte oder müsste dieser nicht mal ersetzt werden?

Auf keinen Fall! Wie würden wir uns dann im Rahmen von Interventionen, Kontrollen und bei der rechtlichen Durchsetzung von Opferschutzmassnahmen ausweisen? Was wäre eine gute Alternative? Migrationsdienst oder Amt für Ausländer*innenbelange oder…? Ich finde es richtig und wichtig, die Dinge beim Namen zu nennen. Der Begriff «Polizei» ist fast in allen Ländern klar verankert. Die Aufgaben der Fremdenpolizei sind ursprüngliche Aufgaben eines Staates. Die Namensänderung ändert ja nicht auch den Aufgabenbereich. Das Argument der Namensführung ist immer wieder Thema. Würde uns jedoch diese Namensführung untersagt, hätten wir in vielen Arbeitsbereichen massive Probleme. Gerade im Umfeld des Opferschutzes und in Fällen von renitenten Personen ist es wichtig, dass wir als «Polizei» auftreten können.

Nehmen wir aber nur den Begriff «fremd». Dieser suggeriert zwei Gruppen, eine Gegenüberstellung von «fremd» und «heimisch». Meinen Sie nicht, es wäre im Dienst der Integration, dieses Kategoriendenken aufzulockern durch eine Namensänderung?

Meiner Meinung nach braucht es eine gewisse Distanz und einen notwendigen Respekt, um die Aufgaben erfüllen zu können. Stellen Sie sich vor, wenn eine kriminelle Person gegen uns gewalttätig wird, Drittpersonen gefährdet und straffällig wird. Soll in solchen Fällen von Migrationsdienst gesprochen werden? Ich glaube nicht. Denn nur mit einer klaren Kommunikation gelingt es, geltendes Recht durchzusetzen. Wir suggerieren dabei nicht, dass Fremdheit direkt im Zusammenhang mit Kriminalität steht, aber dort wo dieser Zusammenhang besteht, müssen wir eingreifen.

Weshalb trennen wir denn überhaupt die Kriminalität der nicht legal residierenden Personen von derjenigen der sogenannten «Einheimischen»?

Der aufenthaltsrechtliche Aspekt ist dabei zentral: Die Aufgabe der Fremdenpolizei ist es, Fälle zu klären, bei denen ausländische Staatsangehörige involviert sind, beispielsweise wenn diese sich undokumentiert in der Schweiz befinden oder ausgebeutet werden.

Auch im Zusammenhang mit Migration steht die Organisation «Frontex», die das etwas weniger abweisende Projekt «Mare Nostrum» ersetzte. Die Schweiz wird Frontex ja zukünftig vermehrt mit finanziellen Beiträgen unterstützen.

Ich bin überhaupt nicht mit den in den Medien dokumentierten Push-Backs einverstanden. Wir müssen aber zur Kenntnis nehmen, dass Frontex keine «Reiseagentur» ist, die mit Grenzschutz beauftragt wurde. Wir sollten ehrlich sein, Grenzschutz ist hart, es tut beim Hinschauen weh. Die Alternative wäre eben eine Welt ohne Grenzen, das ist wiederum eine Utopie. Ein weiteres Beispiel zur Thematik des Grenzschutzes: Im Jahr 2015 gab es grosse Diskussionen, als viele Leute nach Deutschland migrierten und die Asylzahlen stiegen. Politiker*innen wollten damals die Armee an die Grenze schicken. Das stand zur Diskussion. Ich arbeitete selbst einmal bei der Grenzwache und weiss, was es heisst, Grenzschutz in der Praxis auszuüben. Die Frage wäre: Was sollte die Armee an der Grenze konkret ausrichten? Sicher könnte sie die Leute nicht gewaltsam zurückdrängen.

Sie haben es angedeutet: Früher waren Sie bei der Grenzwache. Was sagen Sie zur europäischen Grenzpolitik?

Der Diskurs über eine europäische Migrationspolitik ist beinahe unerschöpflich. Das, was sich gerade an der syrisch-türkischen Grenze abspielt ist aus meiner Sicht hochproblematisch. Die Türkei befindet sich am «Gängelband» der europäischen Union und es kommt in den dortigen Lagern zu krassen Menschenrechtsverletzungen. Wie es diesen Menschen geht, ist sehr problematisch.
Die langen Leidensgeschichten der betroffenen Menschen beschäftigen mich sehr. Für mich ist die ganze Situation aktuell ein grobes Versagen der politischen Verantwortlichen. Im Jahre 2021 werden in Europa wieder Zäune hochgezogen. Für die Menschen vor Ort ist das Problem ja in keiner Weise gelöst. Sie können in Belarus nicht bleiben und Europa schliesst die Grenzen. Da müsste in der europäischen Migrationspolitik längstens ein Perspektivenwechsel stattgefunden haben.

«Einwanderung sollte als Bereicherung und nicht als Bedrohung wahrgenommen werden.»

Was wäre denn ihr Vorschlag für einen solchen Perspektivenwechsel?

Wir müssten uns überlegen, was für eine Migrationspolitik wir verfolgen wollen. Es bräuchte eine Auslegeordnung, auch bezüglich der demografischen Entwicklung. Gerade in Europa gibt es Länder, die in den nächsten Jahren massive Probleme und Mängel an Fach­kräften erleiden werden. Eine gerechtere Wirtschaftsordnung entsteht nicht dadurch, dass sich die ökonomisch entwickelten Länder bereit erklären, einen gewissen Prozentsatz ihres Brutto-Inlandproduktes für Transferzahlungen den Entwicklungsländern zur Verfügung zu stellen. Es braucht die Aufwertung von regionalen Strukturen und die Möglichkeit, in diesen Regionen eine Bildungsoffensive zu starten. Jetzt wäre es an der Zeit, solche Grundlagen zu legen und in Ausbildung und Bildung zu investieren. Es geht darum, eine Migrationspolitik zu gestalten, in der die Einwanderung als Bereicherung und nicht als Bedrohung wahrgenommen wird.

Die Situationen, die Sie beschreiben, können ja sehr belastend sein. Haben Sie trotz der Schwierigkeiten noch Freude an Ihrem Beruf?

Absolut! Aber gerade in vergangener Zeit haben Drohungen gegen unsere Mitarbeitende oder gegen mich zugenommen. Die Zunahme von Respektlosigkeit und Aggressivität ist für mich besorgniserregend. Meine Erfahrung ist, dass die Schwierigkeiten in aller Regel nicht in der Mitte der Gesellschaft sichtbar werden, sondern überwiegend an den Rändern. Wichtig ist es, sich immer wieder zu hinterfragen und einen Perspektivenwechsel auf die Situation vorzunehmen. Es geht auch darum, dass man innerhalb einer Organisation immer wieder eine Orientierung schafft und kulturelle Prämissen verankert. Unsere Grundlagen bilden rechtsstaatliche, demokratisch legitimierte Gesetze, welche ein Zusammenleben in Würde und Sicherheit ermöglichen.

«Manchmal machen wir explizit nüt.»

Entspannen Sie auch mal?

Ja, das tun wir und machen manchmal einfach «nüt». Das heisst, das Kader reflektiert bei einem Spaziergang an der Aare. Niemand redet dann oder tippt auf dem Smartphone rum. Wir sitzen dort oder laufen herum, reflektieren oder denken vielleicht über Dinge nach, die einem sonst im Alltag nicht durch den Kopf gehen. Am Anfang fanden das manche ein bisschen komisch, sie meinten, wir hätten doch viel zu viel zu tun. Aber gerade deshalb ist auch das Nichtstun wichtig.

Gibt es ein Zitat, das Ihr Leben und Denken prägt?

«Gutes Leben» – Epikur. Schlussendlich heisst das für mich, dass man im Reinen ist mit sich selbst, eine gewisse Zufriedenheit und Ausgeglichenheit hat. Das gilt sowohl für den psychologischen wie auch den physischen Bereich.

Woraus schöpfen Sie Kraft und Energie?

Ich bin der Meinung, dass meine Arbeit wichtig ist. Sie lohnt sich. Wir haben hier alle Chancen und ein sehr gutes Leben, vor allem verglichen mit Millionen anderer Leute. Antrieb für mich ist die Aufrechterhaltung dieser Lebensqualität und der Versuch, das auch anderen zu ermöglichen.

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