Gendersensible Sprache nervt!

Gendergerecht

Bild: Sam von Dach

04. April 2017

Von und

Ein Facebookpost der studizytig zum internationalen Frauentag erregte unlängst die Gemüter der Internetgemeinde. Unter anderem wurde die Frage aufgeworfen, wie sinnvoll die Debatte über den Gebrauch gendergerechter Sprache eigentlich ist, beziehungsweise, ob man sich dabei nicht mit belanglosen Details beschäftigt. – Ein Antwortversuch.

Die Frage ist berechtigt. Angesichts der Probleme, denen frau sich täglich stellen muss, wie etwa der Lohnungleichheit,  sexueller Belästigung und starrer Rollenbilder, erscheint die Forderung nach zwei Buchstaben am Ende eines Substantivs tatsächlich kleinlich. Allerdings sollte die Rolle der Sprache nicht unterschätzt werden, denn sie ist das Instrument, mit dem wir unsere Wahrnehmung der Welt verarbeiten, somit also unsere Lebensrealität abbilden. Vice versa bestimmt der Sprachgebrauch die Wahrnehmung, so denken die Meisten beim Lesen eines generischen Maskulins an einen Mann, während die Verwendung genderneutraler Begriffe oder Begriffe mit Binnen-I häufiger mit beiden Geschlechtern assoziiert werden. Besonders deutlich zeigt dies eine Studie der Sozialpsychologinnen Dagmar Stahlberg und Sabine Sczesny aus dem Jahr 2001: Sie befragten ProbandInnen, mittels generischem Maskulin, neutraler Form oder Nennung beider Formen nach Lieblingspersönlichkeiten. Bei neutralen Formen und Beidnennungen war die Anzahl angegebener Frauen signifikant höher.

Gendern, so ein weit verbreitetes Argument, sieht unschön aus und klingt auch so. Dies kann, da nur subjektiv bewertbar, nicht dementiert werden. Doch gerade weil sie auffällt, zeigt gendersensible Sprache ihre Wirkung. Sie erinnert uns daran, dass die soziale Ungleichheit zwischen Frau und Mann noch immer eine Tatsache ist. Stört sie auch den Lesefluss, so hindert sie uns zumindest daran, von einem Text eingelullt zu werden. Somit können zwei Buchstaben einen nicht zu verachtenden Beitrag zur Instandhaltung der Debatte über die Gleichberechtigung beider Geschlechter leisten. Denn solange Ungleichheit besteht, soll sie auch angesprochen und kritisiert werden.

Diese Penetranz bringt aber nicht nur Vorteile, denn sie erzeugt Gegenreaktionen, gerade in der Geschlechterdebatte. Gegenreaktionen, die von Befürchtungen, etwas zu verlieren oder abgeben zu müssen, verstärkt werden. Doch die Angst ist völlig unbegründet, Gleichstellung bedeutet schliesslich nicht die Bevorzugung sondern eben die Gleichbehandlung. Wenn auch unter dem Begriff Feminismus ganz unterschiedliche Strömungen mit unterschiedlichen Zielen zusammengefasst werden, ist doch ein grosser Teil als Bewegung zur Gleichstellung beider Geschlechter zu verstehen, die sich sich nicht ausschliesslich für die Rechte der Frauen, sondern ebenso gegen starre Rollenbilder, für die LGBTQ-Community und für eine Familienpolitik, die es allen ermöglicht, Familie und Karriere zu vereinen einsetzt. Weder nehmen diese Forderungen jemandem etwas weg, noch verletzen sie in sonstiger Weise. Genauso wenig ist das bei geschlechtersensibler Sprache der Fall. Sie nervt höchstens ein bisschen. Und das ist gut so puttygen download , denn wer genervt ist, möchte etwas ändern und Veränderung ist das Ziel jedes sozialen Engagements. Das letzte Wort gebühre hier aber einer Frau: Die deutsche Satirikerin Sarah Bosetti bemerkt pointiert: «Feminismus wird man nicht los, indem man ihn bekämpft. Feminismus wird man los, indem man Sexismus bekämpft.»

0 0 votes
Article Rating
Abonnieren
Benachrichtige mich zu:
4 Comments
beste Bewertung
neuste älteste
Inline Feedbacks
View all comments
studi
21. April 2017 11:12

Sehr geil auf den Punkt gebracht. Weiter so!

studi2
3. Mai 2017 17:40

hört hört

Mindfuck
23. Januar 2019 19:36

Und wie genau spricht man Wortungetüme wie Kolleg*innen jetzt zum Beispiel während einer Ansprache aus?

Liebe Kolleg_genderstechnen_innen?

Noah Pilloud
31. Januar 2019 13:53
Reply to  Mindfuck

Nun, zu aller erst freut es mich natürlich wird der Artikel auch nach nun bald zwei Jahren noch gelesen und kommentiert. Was die Verwendung gendersensibler Sprache im Mündlichen angeht, so seien deiner Fantasie keine Grenzen gesetzt. Ein weit verbreiteter Konsens besteht darin, die besondere Schreibweise durch den Glottisverschluss hörbar zu machen. Diesen Laut kennst du vielleicht aus dem Anlaut von Wörtern, die mit einem Vokal beginnen. Die Redaktion empfiehlt als Anwendungsbeispiel, ein innbrünstiges Singen der ersten Zeile von „Alle Vögel sind schon da“. Na hörst du’s? Den Klicklaut vor dem A? Natürlich kann dieser Laut auch beliebig ausgetauscht werden; von… Zeig mir mehr! »