Kann überhaupt noch von einer «vierten Gewalt» die Rede sein?

25. Februar 2018

Von und

Ein Film der den Kampf um die Unabhängigkeit der Medien ebenso illustriert wie die Tatsache, dass sich wohl die meisten SchweizerInnen ihrer Instrumentalisierung durch die Medien gar nicht bewusst sind. Regisseur Dieter Fahrer will mit seinen Bildern hinter die Titelseiten von vier verschiedenen Medienunternehmen die Wahrnehmung des Publikums erweitern und gleichzeitig ein Bewusstsein erreichen, welche Macht und Reichweite diese Schweizer Medien von heute tatsächlich besitzen.

Die Dokumentation von Dieter Fahrer erscheint ungeplant pünktlich im Vorfeld zur Abstimmung über die No-Billag-Initiative und gewährt einen neutralen und gleichzeitig informierenden Blick hinter die Kulissen der Informationsfronten, mit denen wir jeden Tag konfrontiert werden. Unter dem Begriff «die vierte Gewalt» oder auch «vierte Macht», «publikative Gewalt» werden in einer Demokratie im Allgemeinen die Medien (wie Presse, Radio und Fernsehen) verstanden. Diese sollen den anderen drei Gewalten Legislative, Exekutive und Judikative, der Macht im Staat kritisch gegenüberstehen. Wenn Journalismus eine breite gesellschaftliche und politische Informiertheit, welche sich an Fakten orientiert, gewährleistet, so kann ein gesellschaftlicher Diskurs entstehen. Ausreichende und qualitative Informiertheit ist in einer direkten Demokratie die Grundlage für angemessene und differenzierte Argumentation zu politischen und gesellschaftlichen Themen vor dem Entscheid an der Urne.

Als Hauptdarsteller des 100-minütigen Dokumentarfilms «Die Vierte Gewalt» wurden die Zeitung «Der Bund», die Radiosendung «Echo der Zeit» sowie die Onlineportale «watson» und «Republik» gewählt. Mit einem sehr persönlichen Auftakt werden die Zuschauer und Zuschauerinnen des Filmes eingeladen, das Funktionieren und Leben von vier ausgewählten Schweizer Medien genauer zu betrachten. Der Regisseur Dieter Fahrer erklärt, wie er schon als Kind den Bund als einziges Medium im Haushalt seiner Eltern fand. Die Zeitung öffnete ihm ein Fenster zur Welt, denn einen Fernseher hatte die Familie Fahrer keinen. Mit einer Sequenz aus dem Altenheim, in dem seine Eltern nun residieren, wird deutlich, wie wichtig die Zeitung für die ältere Generation noch immer ist. Die Bilder aus der Bund Redaktion in Bern lassen einen jedoch deutlich spüren, dass die Zeitung vom steigenden Druck auf Printmedien eingeholt wird. Die Tatsache, dass heute über Online-Dienste und Apps jegliche Informationen viel schneller an die LeserInnen kommen als durch gedruckte Medien, stellt eine neue Herausforderung für den Journalismus der Gegenwart dar. Im Gegensatz zum «Bund» macht sich das Onlineportal «watson» genau diese Funktion der Informationsverbreitung zu Nutze und orientiert sich hauptsächlich am «Onlinetraffic» ihrer Beiträge. Die Idee: Lieber kürzer, dafür prägnanter. Man wolle ja gelesen werden, äussert sich watson-Redakteurin Rafaela Roth dazu im Film. Dem gegenübergestellt wird wiederum die SRF Redaktion von «Echo der Zeit», bei der auf sehr korrekte und deutliche Formulierung von Informationen geachtet wird. Als vierte Möglichkeit der Berichterstattung begleitet der Film die JournalistInnen des frisch entstehenden Onlinemagazins «Republik», deren Ziel es ist, einen unabhängigen und unter keinen Umständen werbefinanzierten Beitrag an die Informierung der Gesellschaft zu leisten.

Durch das Wechseln zwischen den verschiedenen Redaktions-Alltagen wird die Unterschiedlichkeit der porträtierten Medien deutlich. Ausserdem erfahren die ZuschauerInnen näherungsweise die typische Hektik im Alltag der Medienschaffenden. Ausgeglichen wird diese Schnelllebigkeit des Films durch langsamere und berührende Szenen aus dem Altenheim der Eltern oder durch Ausschnitte aus Webcam Livestreams aus der ganzen Welt, welche der Regisseur durch «watson» entdeckt hat.

Im Publikumsgespräch nach der Filmvorführung stellte sich der Regisseur Dieter Fahrer mit deutlicher Meinung den Fragen aus dem Publikum. Ein Interesse aus dem Publikum galt den Webcam-Sequenzen, die Eingang in den Film gefunden haben. Fahrer begründete diese mit der Idee eine Balance zwischen den auf die Schweiz fokussierten Aufnahmen und der eigentlichen Wichtigkeit des Blicks nach aussen in die Welt zu schaffen. Medien seien immer Vermittler von Geschehnissen zwischen verschiedenen Orten und Zeiten und die Welt stehe nie still. Dabei bleibe es wichtig kritisch zu hinterfragen wie viel Macht den Medienschaffenden dabei zukomme und wo diese teils trotzdem völlig machtlos blieben. «Ich bin ein User und werde ge-used!», lautet deshalb auch das Statement des Regisseurs, welches gemeinsam mit dem Film zum Denken anregen soll. Auf die Frage, warum Medien wie die deutlich politisch links zu verortende «WOZ» und die direkte rechte Gegenspielerin «Weltwoche» nicht Eintritt in den Film fanden, wertet Fahrer diese Medien als zu polarisiert um sie in seinen Film einzubeziehen. Er habe eine möglichst unaufgeregte und neutrale Ebene der Schweizer Medienlandschaft gewählt, auch um die Interessen dieser Medien zu zeigen, welche seiner Meinung nach doch noch auf Qualitätsjournalismus setzen würden. Dieser Mangel eines Porträts der Pol-Medien lässt einem jedoch keine Ruhe, schliesslich sind die WOZ und die Weltwoche beide Teil der meinungsbestimmenden Instrumente in der Schweizer Gesellschaft und würden dem Film ausserdem etwas mehr Pfeffer verleihen. Die Bilder und Interviews liefern zwar einen Einblick in den Medienalltag, doch die gestellten Fragen des Regisseurs an die Interviewpartner werden immer sehr höflich und korrekt formuliert. Damit lässt sich zwar journalistisch korrekt keine Wertung des Berichterstatters vermuten, doch dies erschwert das Erkennen der tatsächlichen Gegensätzlichkeit der porträtierten Medien und lässt ihre politische und gesellschaftliche Stellung oder Orientierung kaum erkennen.  Einzig die Betrachtung der finanziellen Mittel der verschiedenen Medienunternehmen lassen die deutliche Abhängigkeit der Informationsleistung von Geldgebern und damit deren in Gefahr schwebende Neutralität verstehen. Während sich «watson» immer mehr Werbeaufträgen annimmt um die Finanzen zu sichern, begleitet Fahrer die Journalisten und Journalistinnen der Bund-Redaktion bei der Räumung ihrer Arbeitsplätze. Damit will er wohl deutlich machen, wie schlecht es um die (so von ihm gewerteten) neutralen Medien steht. Dies unterstreicht wiederum sein Argument, genau diese Medien zu zeigen, welche nicht auf eine Finanzierung von interessegesteuerten Geldgebern zurückgreifen wollen und deshalb um ihr Fortbestehen bangen müssen. Damit wirft der Film auch die Frage auf, inwiefern noch von einer vierten, kritischen, unabhängigen Gewalt die Rede sein kann. Wo wird noch unabhängig dargestellt und hinterfragt was die Leute sehen sollen? Wo wird einfach nur noch gezeigt was die Leute sehen wollen? Der Film liefert keine direkte Antwort auf diese Frage.

Auch wenn der Film nicht als Abstimmungsplädoyer gedacht war und auch keines sein soll, präsentiert er den ZuschauerInnen im Abspann die möglichen Folgen eines «Ja»-Entscheides zur der No-Billag-Initiative als problematische Konsequenzen für die Schweizer Medienlandschaft. Es ist jedoch verständlich, dass sich Filmschaffende ebenso wie die meisten Medienschaffenden auf der Nein-Seite der Abstimmung zu erkennen geben.

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