Donald J. Trump – Ein amerikanischer Präsident

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22. März 2017

Von und

«Lügner, Rassist, Sexist, verrückt, Idiot!» – Trumps Einstellungen werden oft als «persönliche Verfehlungen» kritisiert, die so gar nicht zu einem US-Präsidenten passen würden. Doch hat man da nicht eine zu gute Meinung über das Präsidenten-Amt?

Trump mag ein Arschloch sein, aber eine Fehlbesetzung für das «global office» ist er deshalb noch lange nicht. Trumps >politischer< Standpunkt ist dem Präsidenten-Amt durchaus «würdig». Grundsätzlich  liegt er auf der Linie seiner Vorgänger, denn jeder Präsident setzte den Standpunkt «America first» um, und wollte sein Land «great» machen. Was Trump von Obama unterscheidet, ist bloss die >Methode, wie< die USA mit ihrer überlegenen Gewaltmaschinerie und ihrem Dollar-Imperialismus den Globus beherrschen sollen. Trump will den Zaun zu Mexiko durch eine Mauer >ersetzen<. Er will >mehr< «Illegale» abschieben als Obama. Trump kündigt >endgültig< das Freihandelsabkommen TTP, das Obama zwar einführte, aber schon wieder in Frage gestellt hat. Trump sieht in China u.a. genauso Konkurrenten, die er aber >nur noch< für unerträglich hält… Der neue Präsident stellt also die US-amerikanische Politik nicht auf den Kopf, sondern >radikalisiert< sie. Aber wie?

«the land of freedom»

Im «land of freedom» haben alle US-Amerikaner_innen die Freiheit, ihren Nutzen und Erfolg in der Konkurrenz um Einkommen zu suchen. Ob das für die Einzelnen aufgeht, ist eine Frage der Mittel, die sie haben. Wie in jeder kapitalistischen Wirtschaft lässt sich mit einem Unternehmen oder einer grossen Kapitalanlage viel Geld verdienen. Lebt man aber in Freiheit von diesen nützlichen Dingen, und ist auf das Angebot seiner Arbeitskraft beschränkt, dann ist die eigene Million nur schwer zu haben. Dann muss man erst mal einen «Millionär» finden, der einen «Tellerwäscher» braucht. Während die Einen einen Job brauchen, treten die Anderen schon als «Millionäre» an, und haben gleich bessere Chancen in der Konkurrenz ums Geldverdienen. Deswegen gibt es auch in den USA weiterhin sehr viele «Tellerwäscher» und wenige «Millionäre», selbst wenn sich alle furchtbar anstrengen.
Westliche Konkurrenzgesellschaften und insbesondere die USA sehen das aber anders. Für sie ist die individuelle Freiheit die Freisetzung eines Erfolgswillens, der den eigenen Erfolg schon garantiert, wenn man nur will und kann. Alle könnten vom «Tellerwäscher zum Millionär» aufsteigen, wenn sie kämpfen und im Konkurrenzkampf nicht «unfair behindert» werden. Dafür stehen die USA immer schon ein: Eine möglichst freie Konkurrenz, auch für die, die so wenig von ihr haben. Deswegen sehen US-amerikanischen Konkurrenz-Bürger_innen auch in sozialen Zwangsabgaben eine Beschränkung ihrer Freiheit und ihres (prekären) Geld-Erfolgs. So wurde z.B. «Obama-Care» von einem Grossteil der US-Bürgern_innen abgelehnt, selbst von denen, die eine staatlich organisierte Krankenkasse bitter nötig haben.
Jede Konkurrenz führt notwendig zu Gewinnerinnen, also auch zu Verlierern. Wer aber die Konkurrenz als das Allheilmittel in jeder sozialen Lage ansieht, erklärt sich seinen Misserfolg gerne durch «unfaire» Bedingungen der Konkurrenz. Man wird entlassen, nicht weil das die Rationalität der kapitalistischen Betriebsrechnung  verlangt, sondern weil «verantwortungslose» Unternehmen einem kündigen. Oder weil Ausländer_innen «uns die Arbeitsplätze wegnehmen», die eigentlich schon gar nicht zur Konkurrenz um Jobs und Einkommen zugelassen sein sollten. Usw. Die Leute glauben so sehr an den Segen des Marktes und an die «power of the americans», dass sie sich Misserfolge nur mit einer «Verfälschung» der Konkurrenz erklären wollen.

Trump: «freedom» – radikal.

Diesen Standpunkt muss der neue Präsident Trump nur abrufen, um mit ihm Ernst zu machen. Er spricht die Leute als Konkurrenz-Bürger_innen an, die um ihren Erfolg durch «vaterlandslose» Unternehmen, einer ausländischen Billigkonkurrenz oder durch billigere Ausländer_innen – ohne «work visa» –  «betrogen» worden sind. Und damit erlangt er bei den Leuten Zustimmung, die sich eh schon nichts mehr wünschen, als einen möglichst harten aber «fairen» Kampf um den Dollar. Dafür verspricht Trump seinen Wähler_innen, die Unternehmen zu zwingen, weniger Jobs in das  Ausland auszulagern, «illegale» Konkurrenzteilnehmer_innen vom us-amerikanischen Arbeitsmarkt fernzuhalten und das «obama-care-desaster» zu beenden.
Dabei gelingt Trump, was jeder demokratische Politiker drauf hat: Er lädt seine Wähler_innen dazu ein, den eigenen Misserfolg mit der Erfolgsbilanz der US-Nation zu verwechseln. Arbeitslose z.B. aus dem «rust belt» sind zwar Opfer einer >erfolgreichen< US-Autoindustrie, die mittlerweile ihre Autos im kostengünstigeren Ausland produzieren lässt, aber sehen soll es die amerikanischen Lohnabhängigen so, als ob ihre Arbeitslosigkeit ebenso ein Niedergange der US-Wirtschaft wäre. Auch diese eingebildete Einheit von «hard workin’ people» und «our country» kann Trump bei seinen Wähler_innen erfolgreich abrufen, und erklärt für alle US-Bürger_innen: «America first». Ob Arbeitslose oder Global Player – alle sollen gleichermassen um das amerikanische «Recht auf Erfolg» betrogen worden sein. Deswegen verspricht Trump: «Make America great again!»

Die «Feinde des Volkes»

Damit erklärt sich der neue Präsident – durch den Wahlerfolg bestätigt – zum Führer einer staatsbürgerlichen Rebellion, die er selber anzettelt, um den US-Amerikaner_innen ihren «way of life» zurückzugeben. Die ehemalige US-Führung ist dann nicht einfach eine akzeptable Opposition sondern: Alles «Verbrecher» die mit ihrem volksfernen «establishment», die «unfairen» Erfolgsbedingungen überhaupt erst zugelassen haben, und  damit das amerikanische Volk in seinem braven Erfolgsstreben nur noch «verraten» haben.
Der neue Präsident verweigert sich den üblichen demokratischen Sitten, weil er sich als der einzig wahre Volksbefreier sieht, der eine unhinterfragbare Allianz zwischen Führung und Volk verkörpert. Darin ist Trump so selbstlos, dass er keinen Zweifel an dieser Einheit zulässt. Mit aller ihm gebotenen Präsidentenmacht verfügt er Dekrete, die eine sonst so übliche demokratische Güterabwägung und eine juristische Überprüfung umgehen sollen, weil sie der Sache dienen, die Trump gerade für das Volk und gegen die Volksverräter_innen im Parlament oder in der Justiz durchsetzen «muss». Als einzig wahrer Volksvertreter ist sein Wort Recht. Ähnliches gilt für die «Feinde des Volkes», die Presse: Wenn die noch meint, mit Fakten, Kritik und Kommentaren unabhängig prüfen zu wollen, ob die Regierung einen «guten Job» macht, dann behauptet sie, was aus Sicht der neuen Volksbewegung nicht sein kann: Es gäbe noch irgendeine Differenz zwischen dem Befreier und den befreiten «americans» und irgend ein möglicher Zweifel an ihrem Programm. «Post-faktisch» bestehen die Volksbewegung und ihr Regierungspersonal auf der Wahrhaftigkeit ihrer nationalen Reformation.

Es hilft also wenig, sich über die schlechten Manieren dieses Ekelpakets zu empören. Bitter ernst zu nehmen ist: Donald Trump ist ein radikal-konsequenter Demokrat, der aus Liebe zu seinem kapitalistischen Heimatland, seine nationalistisch versauten Konkurrenz-Genoss_innen und die erfolgsverwöhnte USA wieder zu neuen Erfolgen bringen will. Grundsätzlich ist das nichts Neues:  Dieser  kompromisslose Einheitsgedanke von «Recht auf Erfolg» und nationaler Selbstbehauptung ist bei allen Demokrat_innen diesseits wie jenseits des Atlantiks anzutreffen und anzugreifen.

In der Gastkolumne «Überstunde» auf studizytig.ch legt die Gruppe «Überzeit» den Finger in alle Wunden, die Wirtschaft und Politik der Gesellschaft immer wieder zufügen.

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