Von Bären und Kranichmorden

1861 stürtze der norwegische Kavalleriehauptmann Lorenz Göttig Lorck in den Bärengraben. Es bleibt nicht der einzige Aufreger mit tierischer Beteiligung in Berns Stadtgeschichte. Bild: Staatsarchiv Kanton Bern

25. Juni 2020

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Humorlose Politikhochburg und Hort der Langsamkeit? Bern hat weit mehr zu bieten. Wichtiges, Überraschendes und Kurioses aus über 800 Jahren Stadtgeschichte.

• 1191: Herzog Berchtold V. von Zähringen gründet die Stadt Bern.

• 1208: Bern wird erstmals in einer Urkunde erwähnt. Die Herkunft des Namens ist umstritten. Die bekannteste Legende besagt, dass die Stadt nach dem ersten in den umliegenden Wäldern erlegten Tier benannt wurde – einem Bären.

• 1353: Der Stadtstaat Bern wird achter Ort im Bündnissystem der Schweizerischen Eidgenossenschaft.

• 1405: Ein Grossbrand in der Altstadt zerstört über 600 Häuser und fordert mehr als hundert Opfer. Es ist bis heute der grösste Brand in der Stadt Bern.

Der grosse Brand in der Stadt Bern. Bild: Amtliche Berner Chronik des Diebold Schilling

 

• Um 1500: Die Aare beim Eichholz bildet den kirchlichen Röstigraben der Schweiz: Wabern gehört zum Erzbistum Lausanne, Muri zum Erzbistum Mainz. Der Jahresbeginn wird um drei Monate zeitversetzt gefeiert.

• 1654: Der Student Theobald Weinzäpfli stürzt mit seinem Pferd über die Mauer der Münsterplattform. Er überlebt den über 20 Meter hohen Fall. Heute erinnert eine Gedenktafel auf der “Pläfe” an den spektakulären Unfall.

• 1798 − 1803: Nach der Niederlage bei Grauholz muss sich Bern den französischen Truppen von Napoleon geschlagen geben. Bern verliert die Waadt und den Aargau, beide Untertanengebiete werden zu selbstständigen Kantonen. Bern wird kurzfristig zur Hauptstadt der zentralistischen Helvetischen Republik.

• 1798: Der Legende nach haben Napoleons Soldaten gewisse Orientierungsschwierigkeiten. Der Einfachheit halber wird die Berner Altstadt deshalb in fünf “farbige” Quartiere eingeteilt. Jedem Quartier ist dabei eine Farbe (schwarz, weiss, grün, rot und gelb) zugeordnet. Bis heute sind die Strassenschilder dieser Quartiere in den entsprechenden Farben. Im Rest der Stadt sind die Schilder blau.

• 1798: Nebst der Berner Staatskasse entwenden Napoleons Truppen auch die Bären aus dem Bärengraben und bringen sie nach Paris.

• 1802: Im “Stäcklichrieg” wird die Stadt zum ersten und einzigen Mal in ihrer Geschichte zum Ziel einer Kanonenkugel. Das Einschussloch ist noch heute am Läuferplatz sichtbar.

Das Einschlussloch ist am Läuferplatz noch heute ersichtlich. Foto: zvg

 

• 1831: Eine liberale Welle erfasst Europa. In Bern dankt die adelige Patrizierregierung ab und macht den Weg frei für Wahlen im Kanton. Klarer Gewinner sind die Liberalen.

• 1834: Die neuen Herrscher beschliessen die Gründung einer Hochschule nach deutschem Vorbild – die Universität Bern.

• 1848: Der lockere Staatenbund ist passé. Bern wird Sitz der Bundesbehörden in der neuen Schweizerischen Eidgenossenschaft. Erste Teile des Regierungsgebäudes entstehen in den Folgejahrzenten, der Bau des Bundeshauses wird aber erst 1902 abgeschlossen.

• 1859: Die neue Eisenbahnlinie Bern-Münsingen-Thun setzt der bisherigen Aareschiffahrt ein Ende.

• 1861: Der norwegische Kavalleriehauptmann Lorenz Göttig Lorck stürzt – alkoholisiert und zuvor übermütig auf dem Geländer balancierend – in den Bärengraben. Mit einem Regenschirm verteidigt sich der 31-jährige gegen die Bären. Ohne Erfolg. Als die herbeigerufenen Landjäger eintreffen, ist Lorck bereits tot.

• 1870: Catharina Gontscharoff studiert als erste Frau während zwei Gastsemestern an der Universität Bern. Zwei Jahre später folgte mit Anna Galvis-Hotz die erste reguläre Studentin. Sie schliesst ihr Studium 1877 ab.

• 1890: Bern eröffnet seine erste Tramlinie. Sie führt vom Bärengraben via Bahnhof zum Bremgartenfriedhof. Frost in den Leitungen der Drucklufttram führt zu saisonalen Unterbrüchen.

• 1919: Auf Geheiss des Kantons wird das verschuldete Bümpliz in die Stadt Bern eingemeindet.

Bevor Bümpliz ein Teil Berns wurde, war es ein Dorf. Bild: Staatsarchiv Kanton Bern

 

• 1908: Albert Einstein, der Begründer der Relativitätstheorie, lehrt für drei Semester lang theoretische Physik an der Universität Bern.

• 1931: Das Berner Stadtoriginal Dällenbach Kari stürzt sich von einer Brücke über die Aare in den Tod. Der kauzige Coiffeurmeister war in Bern bei vielen als Anekdoten- und Witzeerzähler, Possenreisser und trinkfreudiger Geselle bekannt.

• 1968: Die Stimmberechtigten der Stadt Bern beschliessen die Einführung des Frauenstimmrechts auf Gemeindeebene. Zwei Jahre später wird die erste Frau in die kommunale Regierung gewählt.

• 1972: Mani Matter ist tot. Der bekannteste Vertreter der Berner Troubadours stirbt in einem Autounfall im Alter von 36 Jahren. Matter hat Lieder wie “I han es Zundhölzli azündt” oder “Hemmige” geschrieben.

• 1977: Mit 20‘000 Besucher*innen findet auf dem «Güsche» das 1. Internationale Folkfestival statt – der Vorläufer des heutigen Gurtenfestivals. Vor lauter Aufregung ging allerdings die Bühnenbelichtung vergessen.

Die Anfänge des heutigen Gurtenfestivals im Jahr 1977. Bild: gurtenfestival.ch

 

• 1980: Louise Elisabeth de Meuron-von Tscharner stirbt im Alter von fast 98 Jahren. Die als letzte Aristokratin bekannte Dame galt mit ihrem anachronistischen Verhalten als Stadtoriginal. So fuhr sie etwa stets ohne Billet Tram. Ihre Begründung: «I bi vorem Tram da gsi».

• 1981: In den Stallungen der ehemaligen Reitschule findet das Eröffnungsfest des Autonomen Jugendzentrums (AJZ) statt.

• 1982: Ein Punk stiehlt im Drogenrausch einen Kranich aus dem Tierpark Dählhölzli und brät ihn vor der Reitschule. In der Folge wird das Gelände polizeilich geräumt, es kommt zu Strassenschlachten. Die Reitschule wird zur Sperrzone und ein Jahr lang rund um die Uhr durch die Polizei bewacht.

• 1992: Die Universität Bern zählt erstmals in ihrer Geschichte mehr als 10’000 Studierende.

• 1993: Die Universität bezieht das Gebäude der ehemaligen Schokoladenfabrik Tobler. Später entstehen auch auf den Arealen des alten Frauenspitals (UniS) und der Maschinenfabrik von Roll Uni-Räumlichkeiten.

• 2008: Bern ist Gastgeber der Fussball-Europameisterschaft, die in der Schweiz und Österreich stattfindet. Tausende Holländer verwandeln Bern in eine orange Festhütte. Zur Erinnerung prangt bis heute ein oranges “Korenhuisbrug”-Schild an der Kornhausbrücke.

• 2012: Bei der zweiten Ausgabe des «Tanz dich frei» demonstrieren und feiern 10‘000 junge Menschen in der Stadt für mehr Freiraum. Nach wüsten Ausschreitungen und harscher Polizeigewalt bei der dritten Ausgabe ein Jahr später wird das Projekt eingestellt.

• 2015: Die bärner studizytig (bsz) erscheint zum ersten Mal. Sie ersetzt die darbende Studierendenzeitschrift Unikum.

Seit 2015 erscheint die bsz vier Mal pro Jahr. Foto: mas

 

• 2018: Die Young Boys gewinnen 2:1 gegen Luzern und sind erstmals seit 32 Jahren wieder Schweizer Fussballmeister. Bern ist über Wochen gelb-schwarz.

• 2020: In der Stadt Bern leben rund 143’000 Menschen. Sie ist damit hinter Zürich, Genf, Basel und Lausanne die fünftgrösste Stadt der Schweiz.

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