A Long Way Home

25. Februar 2018

Von und

Für einmal habe ich mich in ein mir grösstenteils unbekanntes Gebiet vorgewagt: die Kunst, porträtiert in einem Dokumentarfilm von Luc Schaedler, visueller Anthropologe und ehemals Dozent an der Universität Bern.

Wenn es um Kunst geht, bin ich immer etwas skeptisch eingestellt und hatte mich schon mal mental darauf vorbereitet, die Hälfte nicht zu verstehen. Der Film von Luc Schaedler hat diese Befürchtungen jedoch schnell zerstreut. Zum einen lag dies daran, dass der Film die Kunst als Mittel zur Erinnerungs- und Vergangenheitsbewältigung zeigt und man sich so mit einem gewissen Vorwissen über die Geschichte Chinas leichter hineinfühlen kann. Zum anderen sind die Werke der fünf im Film porträtierten chinesischen Kunstschaffenden ausserordentlich zugänglich und verständlich – auch für einen Kunstlaien oder eine Kunstlaiin.

Die fünf Protagonistinnen und Protagonisten verarbeiten durch ihr Schaffen ihre Erlebnisse der Zeit unter Mao, aber auch mit dem politischen System im China der Gegenwart. Da wären die Gao-Gebrüder, welche sich durch Fotografie und Malerei ausdrücken und auf der Schwarzen Liste der chinesischen Regierung stehen. Dann die Tänzerin und Choreografin Wen Hui, die eine äusserst interessante Theorie zu Erinnerung und deren Speicherung im Körper vertritt. Weiter werden der Animationskünstler Pi San und der Schriftsteller und Poet Ye Fu porträtiert – beide thematisieren vor allem Gewalt und Grausamkeit, die sich in verschiedensten Aspekten der chinesischen Kultur zeigen. Auf einfühlsame Weise nähert sich der Film ganz persönlichen, einschneidenden Erlebnissen der Künstler und Künstlerinnen, welche sie gegen das politische System rebellieren liessen und lassen. Gerne hätte man manchmal mehr erfahren von den Lebensgeschichten dieser fünf Menschen. Interessant ist auch der Ansatz Schaedlers, dass im Film ausschliesslich die Kunstschaffenden zu Wort kommen. Man hört keine Interviewfragen und keine Erzählstimme während den Rückblenden oder historischen Passagen, was die Kunstschaffenden umso mehr ins Zentrum rückt und mir besonders gefallen hat. Gegen Ende springt der Film häufig zwischen den Protagonistinnen und Protagonisten hin und her. Die Geschichten scheinen dadurch zu einer einzigen Biografie zu verschmelzen und werden zu einem übergreifenden Ganzen, zu einem Ausdruck eines bestimmten geschichtlichen und kulturellen Raumes.

Luc Schaedler gelingt mit seinem Film ein Spagat zwischen Geschichte und Kunst, was den Film sowohl für Kunstfans wie auch für historisch Interessierte sehenswert macht. Mein Ausbrechen aus der kunstfreien Komfortzone hat sich also gelohnt.

Die Premiere des Films findet am 1. März im Kino Rex in Bern statt. Die studizytig verlost dafür zwei Tickets, bei Interesse melde dich bei: info@studizytig.ch.

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