Mein Schattenplatz #5

mein_schattenplatz

Illustration: Moritz Koller

22. August 2017

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Am schönsten leiden zweifellos die YB-Fans. Mein Schattenplatz findet sich im Stade de Suisse Wankdorf, Sektor B.

Wenn die Ostkurve in der Nachmittagssonne glüht und klatscht und singt, sitzen die meisten ZuschauerInnen im gegenüberliegenden Sektor B gemütlich auf ihren Schattenplätzchen. Hier erhalten Familien günstige Tickets (weil die Namensrechte der Ecktribüne an eine Detailhändlerin verkauft wurden und diese nun «Famigros-Corner» heisst), hier lamentieren SchnauzträgerInnen über jeden Schiedsrichterentscheid und hier setze auch ich mich hin, wenn ich die Young Boys mal wieder live sehen will.

Dass ich eher selten ins Stadion gehe ist wohl am ehesten dadurch zu begründen, dass ich als Kind mit dem FC St.-Gallen mitfieberte (weil dies der Papi auch tat) und das Ostschweizer Missmanagement mir die Lust am Schweizer Fussball mit der Zeit etwas vergrault hat. True story: im St.Galler Espenmoos kybunpark finden sich ein «Famigros-Corner» UND ein «CSS Family Corner», sheesh! Nicht aufgrund dieser Tatsache bin ich inzwischen zum Unterstützer des Hauptstadtklubs konvertiert, sondern aus einem viel seltsameren Grund: Ich habe eine Schwäche für leidenschaftlich leidende Fans.

Und dieser Sommer bot wirklich alle Zutaten für das grosse YB-Drama: Höhenflug zum Saisonbeginn mit drei Siegen aus den ersten drei Spielen (sogar gegen die Basler), dann glanzvolles Comeback und die Qualifikation fürs europäische Parkett gegen Dynamo Kiev. «Dynamo ist raus, YB freut sich auf die Play-off-Auslosung am Freitag, das Leben ist schön und wir wünschen Ihnen noch einen schönen Abend.», schrieb der Bund-Blog «Zum runden Leder» und im KollegInnenkreis wurden erste Wetten auf den YB-Meistertitel abgeschlossen.

Ich meine das nicht böse oder schadenfreudig, viel mehr buche ich in diesen Momenten aus Faszination das Ticket fürs nächste Spiel, Schattenplatz im Sektor B. Denn so schmerzhaft die darauffolgende 0:4-Heimniederlage gegen Thun oder der Moment, in dem Nuhu in allerletzter Minute den Ball ins eigene Tor köpfte auch waren, so magisch ziehen mich die Emotionen unter den Fans nach diesen Spielen an. Die Liebe ist immer noch am schönsten wenn sie schmerzt. Alles Gute in Moskau, Young Boys!

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Einstein
26. August 2017 23:39

Haha, ein Stein!