«Ich schreibe Dialoge, weil ich den Dialog will»

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Bild: zvg Janine Guldener

Die Schriftstellerin, Bühnenautorin 
und Regisseurin Laura de Weck 
über die Vorteile der direkten Demokratie, 
Selbstzweifel und den Zusammenhalt 
in der Schweizer Literaturszene. 
Das Interview mit der Wahl-Hamburgerin 
wurde schriftlich geführt.

Max Frisch war einer der grössten Schweizer Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. In hundert Jahren könnte rückblickend dasselbe von Ihnen im 21. Jahrhundert behauptet werden. Wie sehr freuen Sie sich?

Echt? Oder verwechseln Sie mich mit Lukas Bärfuss? Klar würde mich das sehr freuen. Max Frisch hat mich zum Theater verführt. Ich musste über ihn einen Strafaufsatz schreiben, weil ich zu spät zum Deutschunterricht gekommen war. Der Strafaufsatz war mein erstes Dramolett.

Das Migros-Magazin präsentierte Sie, Hazel Brugger und Katja Brunner als Speerspitze der literarischen Zukunft der Schweiz. Dann müssen Sie wohl auch gute Freundinnen sein?

Leider bin ich Hazel Brugger und Katja Brunner nie begegnet. Unsere Wege haben sich einfach noch nicht gekreuzt. Vielleicht, weil ich in Hamburg lebe. Vermutlich aber eher, weil Autorin-Sein ein einsamer Beruf ist. Man schreibt alleine und tritt alleine auf.

Dann ist der Umgang in der Literaturszene nicht so familiär?

Wie gesagt, wir kommen einfach zu selten zusammen. Aber ehrlich gesagt, fühle ich mich gar nicht als Literatin. Ich mache Theater und dort halte ich mich auch am meisten auf. Ich schreibe Dialoge, weil ich den Dialog will. Es gibt nichts Schöneres als mit Menschen zu diskutieren, zu quatschen. Das Theater ist ein sehr guter Ort dafür.

Wie steht es um den Konkurrenzkampf in der Szene?

Die Konkurrenz empfinde ich nicht so sehr gegenüber einzelnen Personen, sondern eher gegenüber der Masse. Wenn ich zum Beispiel Theaterförderung oder Drehbuchförderung beantrage und merke, okay, diese Förderung wollen jetzt auch hunderte andere begabte Künstler. Die Zahlen wachsen jedes Jahr. Das erhöht natürlich den Druck.

Wie äussert sich dieser Druck in Ihrem Alltag?

Ich kriege eine Krise, denke mein Antrag ist chancenlos, finde alles furchtbar, was ich gerade schreibe. Gestern war das zum Beispiel so. Dann habe ich die ganze Nacht nicht geschlafen, weil ich im Kopf eine Szene durchgegangen bin. Heute Morgen war sie dann wieder richtig gut.

War Ihnen während des Studiums bewusst, dass Ihre Zukunft so aussehen wird?

Während des Studiums hat man diese Studenten-Arroganz. Man glaubt, vieles durchschaut zu haben und alles erreichen zu können. Nach dem Studium – ich habe Schauspiel studiert – wird man ganz schnell wieder nüchtern. Aber mir war von Anfang an klar, dass ich viel arbeiten muss, um gut zu sein.

«Mich interessiert, welche 
Konsequenzen politische 
Entscheide auf unser Privatleben haben.»

Was schätzen Sie war für Ihren Durchbruch wichtiger: Glück oder harte Arbeit?

Es gab einen Abend, da war ich 25 und wurde mit meinem ersten Theaterstück zu einem Autorenforum in Frankfurt eingeladen. Mein Stück wurde einem Fachpublikum gezeigt und in diesem Publikum sass mein zukünftiger Theaterverleger von Rowohlt, mein späterer Schauspielchef vom Hamburger Schauspielhaus und die Intendantin des Nationaltheater Mannheims, die das Stück uraufführte. Ich war zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Es war ein riesen Glück. Aber ich hatte an diesem Stück auch verdammt lange gearbeitet.

Wie lange ist denn verdammt lange?

Vom ersten Gedanken zum fertigen Stück sind drei Jahre vergangen.

Wie viel Zeit benötigen Sie normalerweise, um ein Stück zu schreiben?

Es gibt Kollegen von mir, die machen es umgekehrt, die schreiben drei Stücke im Jahr. Aber ich bin eine langsame Schreiberin. Ich kann pro Jahr höchstens an einem grösseren Projekt arbeiten. Daneben geniesse ich es aber auch, kurze Dialoge zu verfassen, zum Beispiel meine Kolumnen für den Tages-Anzeiger und den Bund. Das ist ein ganz anderes Arbeiten. Da bleibt nicht viel Zeit für Kunst.

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Bild: zvg Janine Guldener

Können Sie sich in Ihrem Schaffen frei ausleben?

Im Moment sehr. Ich arbeite an eigenen Produktionen und muss mich nur meinen eigenen Zweifeln stellen. Aber wie lange wird dieses Glück anhalten…

Gibt es keinen Publikationsdruck von Seiten des Verlags?

Nein, das habe ich nie erlebt. Den Druck machen wir Autoren uns schon selbst. Ein Problem aber ist der Uraufführungsdruck an den Theatern. Die Bühnen wollen immer brandneue Texte, weil sie damit mehr Aufmerksamkeit von der überregionalen Presse bekommen. Das hat zur Folge, dass die Theaterautoren wie blöd produzieren und die Qualität leidet.

Welche gesellschaftlichen oder politischen Themen sind Ihnen wichtig und wie sollten diese öffentlich thematisiert werden?

Im Moment beschäftige ich mich mit Volksentscheiden und der direkten Demokratie. Mit meiner Performance DIREKT DEMOKRATISCH LOVE trete ich Anfang April in der Kaserne Basel und der Gessnerallee Zürich auf. Mich interessiert, welche Konsequenzen politische Entscheide auf unser Privatleben haben. In der Schweiz tragen wir diese Entscheide sogar mit, also sollten wir möglichst an unterschiedlichsten Orten über die Abstimmungsthemen diskutieren. Zum Beispiel am Theater.

«Die Bühnen 
wollen immer brandneue Texte.»

Sie verpacken häufig subtile politische Botschaften in der alltäglichen Form des Dialogs. Wieso?

Weil die Politik unsere Alltagsdialoge beeinflusst. Im Moment ist es besonders krass. Alle reden jetzt über Trump. Und weil wir über Trump reden, reden wir auch über Lügen, Mauern und Frauenbilder. Und weil wir über Frauenbilder reden, verändern sich plötzlich die Gesprächsthemen mit dem Partner oder der besten Freundin. Gesetze, Rechte und politische Systeme sind massgebend für die Form, wie wir leben und worüber wir uns unterhalten.

Sie haben sich vor der Abstimmung mit einem Kurzfilm zur Masseneinwanderungsinitiative klar dagegen positioniert. Was halten sie heute von der geplanten politischen Umsetzung?

Die Personenfreizügigkeit bringt uns allen mehr Freiheit und überwiegend Vorteile. Das ist wahrscheinlich auch der Grund, weshalb die SVP selbst kein Konzept zur Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative vorgelegt hat. Mit dem Beschluss des Parlaments kann ich total gut leben und wer etwas gegen die neue Gesetzgebung hat, kann wiederum ein Referendum ergreifen. Genau das finde ich so toll an unserem direktdemokratischen System: Das Volk hat das letzte Wort. Aber da weder das Volk noch die Volkspartei in diesem Zusammenhang nochmals das Wort ergriffen hat, nehme ich an, die Mehrheit ist zufrieden mit der Umsetzung der MEI.

Zurück zu Ihren Freundinnen: Was wollen Sie Hazel Brugger, als jüngster in ihrem Trio, als Karrieretipps mit auf den Weg geben?

Hazel Brugger weiss schon genau, was sie tut. Und das ist tatsächlich das Wichtigste: Hör nie auf «warum» zu fragen. Warum schreibe ich das? Warum jetzt? Warum so?

Warum performen Sie denn genau jetzt DIREKT DEMOKRATISCH LOVE?

Weltweit werden gerade Volksentscheide in Frage gestellt, weil sie krasse Auswirkungen haben wie zum Beispiel der Brexit oder die amerikanischen Präsidentschaftswahlen. Auch wenn mich diese Volksentscheide sehr unglücklich gemacht haben, glaube ich, dass es nicht weniger, sondern mehr direkte Demokratie braucht. Ich performe diesen Abend, weil ich unserer Demokratie meine Liebe erklären will, aber ganz blind vor Liebe bin ich nicht. Die direkte Demokratie braucht jetzt Reformen!

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